Sind Schweine für mich die richtigen Haustiere? Was muss ich vor der Anschaffung beachten? Welche Probleme könnten auftreten?
Du möchtest Schweinen ein neues Zuhause geben. Das finden wir klasse. Hast Du Dir gut überlegt, was da auf Dich zukommt? Schweine sind keine Hunde oder Katzen. Schweine sind ganz besondere Haustiere und es bedarf schon viel Leidenschaft, Verantwortungsbewußtsein und finanzielle Mittel, um Schweinen ein möglichst artgerechtes Zuhause zu bieten.
Schweine aufzunehmen, nur weil sie cool sind oder außergewöhnlich und Du Dich mit ihnen profilieren kannst, sollte nicht Deine Motivation sein. Vor allem informiere Dich vor der Anschaffung, welche Bedürfnisse Schweine haben.
Die aufgeführten Punkte sollen Dir eine Hilfestellung bei der Entscheidung sein. Es klingt zwar vieles sehr negativ, doch es sind die Gründe, warum so viele Schweine (vor allem Minischweine) im Tierschutz landen. Wir möchten das möglichst von Anfang an verhindern und einige Fallstricke benennen. Manchmal ist Verzicht auf Tierhaltung der bessere Tierschutz.
Die wichtigsten Punkte auf einen Blick:
- Schweinehaltung in Deinem Wohngebiet erlaubt?
- Sind alle Familienmitglieder einverstanden?
- Könnte es Streit mit den Nachbarn geben?
- Bist Du konsequent und selbstbewusst, um Deine Schweine liebevoll und ohne Gewalt zu erziehen?
- Bist Du tolerant genug, verschmutzte oder zerstörte Kleidung, Gegenstände, Beete nicht den Schweinen zum Vorwurf zu machen?
- Hast Du eine zuverlässige, den Schweinen bekannte Betreuungsperson, für den Fall, dass Du nicht selbst Deine Tiere versorgen kannst?
- Ist ein schweinekundiger Landtierarzt in Deiner Nähe?
- Hast Du ausreichend Zeit und Motivation Deine Schweine zu versorgen und sie zu beschäftigen?
- Bist Du bereit mindestens 2 Schweine zu halten und hast Du ausreichend Platz für die Tiere?
Schweinehaltung erlaubt?
Bevor Du Dir irgendwelche Abgabeschweine anschaust, erkundige Dich erstmal bei Deiner Kommune (Bauamt und Veterinäramt), ob in Deinem Wohngebiet die Haltung von Schweinen überhaupt erlaubt ist. Das Bauamt kann Dir Auskunft geben, ob Du in einem reinen Wohngebiet lebst und das Veterinäramt wird Dir genaue Auflagen nennen, wie der Stall und vor allem die Umzäunung gestaltet werden soll. Die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen findest Du in unserem Artikel Schweine und Gesetze.
In einem reinen Wohngebiet ist Schweinehaltung nicht erlaubt!
Gibt das Veterinäramt Dir das OK, dann richte das Gehege nach den Vorgaben ein. Nach der Abnahme durch den Amtstierarzt, könnten die neuen schweinischen Familienmitglieder einziehen, wenn die anderen Voraussetzungen stimmen. Schaffe Dir keine Schweine an, wenn Du bereits Probleme mit Deiner Nachbarschaft hast. Im Zweifelsfall suche das Gespräch und versuche die Bedenken zu entkräften und einen Kompromiss zu finden. Die Schweine sind es letztlich die leiden werden, wenn Du sie abgeben musst, weil die Nachbarschaft Dich verklagt.
Viele Abgabeschweine stammen von Menschen, die sich einfach unüberlegt Schweine anschaffen und dann Ärger mit dem Veterinäramt, den Nachbarn oder dem Vermieter oder gar der eigenen Familie bekommen. Schweine sind laut, wühlen und bei Langeweile zerstören sie die Wohnungs- und Garteneinrichtung. Dein Nachbar fände es wohl nicht so toll, wenn sein englischer Rasen nach dem Besuch der Schweine einem frisch gepflügten Acker gleichen würde.
Die Leidtragenden sind die Schweine, sie müssen dann weg. Schweine, vor allem Großschweine, zu vermitteln ist nicht leicht, denn die artgerechten Plätze sind selten. Lebenshöfe sind häufig voll besetzt und am Ende bleibt nur der Schlachter. Und genau das sollte vermieden werden. Es liegt in Deiner Verantwortung.
Konsequente liebevolle Erziehung mit Nerven aus Stahl und hoher Schmutztoleranz
Bist Du eigentlich ein Schweinemensch? Schweine sind hochintelligente Tiere. Sie können schnell bestimmte Dinge lernen und das im positiven, wie im negativen Sinne. Konsequenz ist wichtig. Überlege Dir vorher, was Du Deinen Schweinen erlaubst und was nicht. Lässt Du ihnen einmal was durchgehen, werden sie es immer wieder versuchen. Mit Futter und ggf. mit Clickertraining lassen Schweine sich gut erziehen, sie sind ja immer auf der Suche nach etwas Essbarem. Liebevolle Ansprache und Schmusestunden sind die schönen Seiten des Zusammenlebens mit Schweinen. Es gibt Situation, wo Du Dich durchsetzen musst, vor allem, wenn es Zeit wird, die Rangordnung zwischen Dir und den Schweinen festzulegen. Das geschieht in der Regel, wenn die Schweine 6 Monate alt sind und nochmal im Alter von 2 Jahren. Gewalt ist tabu. Schläge oder Fußtritte sind tabu. Hilfsmittel wie z. B. ein Treibbrett (um Dich zu schützen) oder ein Besen (nicht um zu schlagen, sondern um das Schwein wegzudrücken) solltest Du in der Nähe haben. Bist Du so selbstbewusst, Dich ihnen entgegenzustellen? Schweine erkennen jede Schwäche und nutzen sie aus. Und wenn Du glaubst, dass Minischweine, weil sie ja nicht so groß sind, leichter zu erziehen sind, dann irrst Du Dich. Gerade sie können ganz schön zickig werden.
Gehe davon aus, dass einige Dinge von den Schweinen kaputt gemacht werden, wenn sie unbeaufsichtigt in Räume oder Bereiche des Gartens gelangen. Nicht die Schweine sind schuld, sondern der Mensch. Hast Du das Tor richtig zugemacht? Ist die Einzäunung ohne Schwachstellen? War das Stromgerät für den Zaun ausgeschaltet?
Und da ist noch die Sache mit den künstlerischen Schweinenasenabdrücken auf Deiner neuen Hose, die zerfetzten Schnürsenkel und die abgerissenen Taschen Deiner Jacke. Schweine benutzen ihren Rüssel, wie wir unsere Hände, um alles zu untersuchen und zu ertasten. Sie probieren alles aus, es könnte ja essbar sein. Vor allem nach der eigentlichen Mahlzeit wird gerne bei Dir noch nach einem Leckerchen mit der Futter verschmierten Schnute gesucht. Und den besten Kuschelplatz hat man auf dem Schoß seines menschlichen Futterspenders, richtig? Natürlich direkt nach dem Schlammbad. Du wirst Deine Kleidung häufiger waschen und ersetzen müssen. Sei Dir dessen bewusst.
Wir raten von der Anschaffung von Schweinen ab, wenn sie nicht auf dem eigenen Gelände gehalten werden können. Zu oft haben wir Schweine aus diesen Gründen im Tierschutz landen sehen.
Betreuung während Deiner Abwesenheit
Was ist, wenn Du wegen Krankheit Deine Schweine nicht versorgen kannst oder Du beruflich verreisen musst? Hast Du vertrauensvolle Schweine-liebende Menschen, die sich währenddessen um Deine Schweine kümmern können. Sind die Schweine mit diesen Menschen vertraut?
Du möchtest Urlaub machen? Schweine kannst Du nicht mitnehmen. Hast Du eine Urlaubsvertretung, die in der Lage ist, die Schweine zu füttern, zu beschäftigen und sauber zu halten? Kannst Du es einrichten, dass sich diese Person vorher mit den Schweinen vertraut macht und umgekehrt, die Schweine mit dieser Person? Schweine kennen ihre Bezugsperson ganz genau. Fremde Personen können entweder Angst oder gar territorialles, aggressives Verhalten auslösen. Kümmere Dich also rechtzeitig darum, dass Deine Schweine die Urlaubsvertretung kennen lernen.
Wenn Du jemand bist, der häufig beruflich unterwegs ist, schaffe Dir bitte keine Schweine an.
Genug Zeit – Schweine wollen beschäftigt werden
Genauso wie Hunde möchten Schweine beschäftigt werden. Sie sind neugierig und möchten möglichst überall dabei sein. Leider geht das nicht immer. Spazierengehen mit Schweinen in Deutschland ist nicht erlaubt und kann für das Schwein auch gefährlich (Krankheiten, Unfallgefahr) werden.
Ihr ganzes Leben spielt sich auf dem Grundstück ab, welches Du ihnen zur Verfügung stellst. Das kennen sie aber nach ein paar Tagen in- und auswendig.
Hast Du genug Zeit und Leidenschaft, Dich mit Deinen Schweinen zu beschäftigen, auch nach einem anstrengendem Arbeitstag? Nicht nur das Füttern und Saubermachen oder der Gesundheitscheck sind damit gemeint; Schmuse- und Spielstunden sind genauso wichtig. Spielzeug wie ein Ball oder Futter(such)spiele sind sehr beliebt. Vielleicht ein bisschen Clickertraining?
Die Aussage, dass Schweine, vor allem ältere (wenn sie nicht gerade krank sind), nur in der Hütte liegen und schlafen, ist meist auf die Tatsache zurückzuführen, dass ihnen langweilig ist, sie alles schon kennen und sich mit ihnen nicht beschäftigt wird.
Die Schweine haben sich doch selbst, wird häufig gesagt. Das stimmt zwar, doch in der Natur beschäftigen sich die Schweine vor allem mit Nahrungssuche, sind ständig unterwegs und erkunden alles. Außerdem sind es in der Regel mehr als 2 Schweine, die miteinander kommunizieren und interagieren. Da ist immer was los.
Was bietest Du Deinen Schweinen als Abwechslung, damit sie sich nicht langweilen?
Schweine sind Rottentiere – keine Einzelhaltung!
Schon sind wir beim nächsten großen Thema. Schweine sind sehr soziale Tiere mit einer ausgeprägten Familienstruktur. Schweine sind mindestens zu zweit zu halten! Einzelhaltung ist Tierquälerei! Das gilt für jede Schweineart, auch Minischweine. Es ist gesetzlich sogar geregelt, dass Schweine wenigstens Sichtkontakt zu anderen Artgenossen eingeräumt werden muss.
Wir gehen davon aus, dass Du das Beste für Deine Schweine willst. Wir gehen davon aus, dass Du Dir ein Schwein nicht aus Egoismus anschaffst und der Meinung bist, dass Deine Person einen Artgenossen ersetzen kann. Nein, kannst Du nicht! Genau sowenig, wie Du als Wellensittichpartner, Meerschweinchen- oder Kaninchenpartner oder als alleiniger Gefährte für ein Schaf oder Pferd geeignet bist. Wenn Du das glaubst, dann wäre der Hamster als Einzelgänger Dein Haustier der Wahl.
Noch mal zum Mitlesen: Schweine sind Rottentiere – mindestens 2 Schweine oder keine Schweine
Schweine kundigen (Groß-)Tierarzt in der Nähe und wie sieht das mit einer Versicherung für Schweine aus?
Was Du vorher unbedingt abklären solltest: Gibt es einen Schweine-kundigen Tierarzt in Deiner Nähe. Kleintierärzte dürfen keine Schweine – auch keine Minischweine – behandeln. Suche nach einem Großtierarzt, der Erfahrung mit Schweinen hat.
Es kann immer mal vorkommen, dass ein Schwein krank wird. Es kann sich Fieber einstellen, Durchfall oder es gibt Probleme mit den Klauen oder Zähnen. Allein schon die Wurmkur und die Milbenbehandlung, die jährlich oder halbjährlich, stattfinden sollte, macht den Anruf beim Tierarzt notwendig.
Erkundige Dich vor der Anschaffung, ob Deine Schweine ausreichend tierärztlich versorgt werden können.
Eine spezielle Schweinehaftpflichtversicherung gibt es noch nicht. In der Regel übernimmt die private Haftpflichtversicherung Schäden, die durch Deine Schweine verursacht wurden. Bitte erkundige Dich bei Deiner Versicherungsgesellschaft und lasse Dir die Kostenübernahme schriftlich geben.
Ausreichende Platzverhältnisse
Neben der eigentlichen Erlaubnis der Schweinehaltung und die zwingend notwendige Gruppenhaltung, ist die Unterbringung der Schweine eines der wichtigsten Voraussetzungen überhaupt.
Der Platz kann nicht groß genug sein. Je mehr, desto besser. Und zusätzlich sollte das Gehege abwechslungsreich gestaltet (Wiese, Bäume, Sträucher, Suhle) sein. Ein wetterfester, der Anzahl der Schweine entsprechend großer Stall muss vorhanden sein.
Merke: KEINE ausschließliche Wohnungshaltung!
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit denkt sich der verantwortungsbewusste Schweineliebhaber. Wir gehen von einer sogenannten Auslaufhaltung aus. Fester Stall mit Weidegang. Die Realität sieht leider meistens anders aus. Schweine, vor allem Einzeltiere, werden nur in der Wohnung mit Katzentoilette gehalten – geht gar nicht!
Schweine werden ohne wetterfesten Stall (es sei denn, es handelt sich um Freilandhaltung mit entsprechenden Freilandhütten) gehalten, meist auf 200 – 300 qm reiner Wiesenfläche. Bitte nicht!
Es werden im Internet und manchmal von Experten Mindestgrößen angegeben für Minischweine, die pro Tier 100 qm als ausreichend ansehen. 100 qm für 15 oder mehr Lebensjahre, ohne dieses Grundstück je zu verlassen. Meist auch noch ohne jegliche Strukturen z. B. mit Bäumen oder Sträucher, Suhle. Bei Großschweinen sollten es mindestens 700 qm pro Tier sein.
Stell Dir vor (und zu Corona-Zeiten haben wir es annähernd zu spüren bekommen), Du lebst 80 Jahre lang nur in einer Wohnung mit 50 qm Wohnfläche und wenn Du Glück hast, vielleicht 100 qm Steingarten ohne jemals diese Behausung verlassen zu können. Kein Telefon, kein Smartphone, kein Fernseher, kein Internet, keine Bücher, kein Partner – nichts. 80 Jahre lang nur für eine Stunde Unterhaltung, wenn das Essen auf Rädern gebracht wird und vielleicht spielt jemand mit Dir Mensch-ärger-dich-nicht 2x die Woche.
Klingt das nicht ein bisschen nach einem Gefängnis und selbst dort gibt es Fernsehen? Ist jetzt vielleicht stark übertrieben, aber wir möchten Dich sensibilisieren, dass Schweine anspruchsvolle Haustiere sind.
Wenn wir also von einer Mindestfläche pro Tier sprechen, dann wären 200 – 300 qm pro Minischwein das absolute Minimum. Gehen wir von 600qm aus für 2 Tiere, fallen schon die meisten (Reihen-)Eigentumshäuser als potenzielle Schweineheime weg.
Großschweine sollten pro Tier mindestens 700 qm besser 1000 qm zur Verfügung haben.
Bildquellen:
Beitragsbild – CanvaPro
Minischweine vor Hütte – Sabine Duda
Sitzende Schweine im Stall – Sabine Kipka
Sitzende Schweine draußen – Jörg Kipka
Schweine wühlen – Sabine Kipka
Schweine in der Suhle – Sabine Duda
Tierarzt s-w – Crushin Memorial Library – flickr
Minischweine auf der Weide – Sabine Duda
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