Wenn ein Menschenleben gerettet wird? Dies ist die provokante Frage, die wir uns seit der „Erfolgsmeldung“ aus den USA stellen müssen. Dort wurde einem Menschen erstmalig das Herz eines Schweins eingepflanzt. Es war die einzige Chance dieses Mannes, zu überleben. Doch war sie das wirklich? Und ist hier nur ein Schwein für diesen Menschen ums Leben gekommen?
Als Schweineliebhaber:innen und Tierrechtler:innen ist es unsere Aufgabe, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Die Schlagzeilen und Berichterstattung jedenfalls hinterfragen nur ansatzweise die moralischen und ethischen Verwerfungen, die diese Transplantation aufwirft.
Schließlich leben wir in einer Welt, in der die Nutzung der Tiere milliardenfache Normalität ist. Wir essen Tiere, nutzen ihre Haut, beuten sie für ihre Milch aus. Was soll an der tatsächlichen Rettung eines Menschenlebens durch ein Tierorgan noch verwerflich sein? Dass es ausgerechnet die milliardenfach ausgebeutete Spezies Schwein ist, die uns physiologisch so nah verwandt ist, macht die Antwort für viele Beteiligte noch einfacher. Und so ist der Tenor der Berichterstattung fast durchweg positiv. Ein neues Kapitel in der Medizin wurde aufgeschlagen. Xenotransplantationen als Rettung der Menschen. Schweine als Ersatzteillager.
Neu ist das nicht. Denn nicht nur werden seit Jahrzehnten Herzklappen von Schweinen in Menschen eingepflanzt. Auch das Insulin für Diabetiker kam lange Zeit fast ausschließlich durch das Schwein zu den Erkrankten. Bis es eine künstliche Alternative gab. Schweinehaut wird bei Verbrennungen verpflanzt. Hilfe für kranke und sterbende Menschen durch die Spezies Schwein ist also längst gesellschaftlich akzeptiert.
Unsere Skrupel, mit den wir andere Spezies für unsere Belange ausnutzen, wurden durch jahrhundertelange Traditionen ausgehöhlt. Falls wir sie je hatten. Und so erscheint es für die meisten Menschen sicherlich bizarr, wenn wir Tierrechtler:innen konkret auch um dieses eine getötete Schwein und sein Schicksal trauern. Um es jedoch direkt zu sagen: wir hegen keine Wut gegen den Mann, der das (unfreiwillige) Spenderorgan erhalten hat. Es ist die Gedankenlosigkeit, die moralische und ethische Erosion der Menschheit, die wir beklagen und hinterfragen.
Schweine haben es auf diesem Planeten und unter der Herrschaft des Menschen jedenfalls nicht leicht. Dass sie nun noch die zweifelhafte Aussicht haben, künftig als günstiges Ersatzteillager der Menschen zu dienen, ist nur das berühmte Tüpfelchen auf dem I beim Schwein.
Denn Schweineleben sind billig, zu billig. Wie auch die deutschen Landwirte inzwischen schmerzhaft erfahren. Neben dem Schnitzel auf dem Teller landen Schweine zudem im Versuchslabor, werden für Crashtest und als lebendiges, nicht-narkotisiertes Versuchsobjekt durch die Bundeswehr und andere Institutionen unendlichen Qualen ausgesetzt.
Deutsche „Wissenschaftler“ des Friedrich-Löffler-Instituts fanden es zudem sinnvoll, Eber mit weiblichen Geschlechtsorganen zu erfinden, um vorgeblich die Problematik der Ferkelkastration zu „lösen“. Nebenbei brüstete man sich nach dem Erfolg auch damit, dass diese armen Tiere fortan als Großtier für die Erforschung menschlicher Geschlechtsidentitätsstörungen dienen könnten. Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel.
Doch zurück zum verpflanzten Herzen. Wie lauten die Alternativen? Gibt es welche? Natürlich. Nicht nur mechanische Herzen, sondern auch menschliche. Eine Neuregelung des Systems der Organspende wäre der einfachste Schritt, den Organmangel zu lindern. Ein „Opt-out“ System, welches bedeutet, dass jeder Mensch automatisch ein Organspender ist. Außer er widerspricht aktiv. Und eine Regelung, dass Angehörige des Verstorbenen diese Entscheidung nicht anfechten können.
Darüber hinaus ist die Erforschung von mechanischen oder künstlichen Alternativen von folgendem Irrsinn blockiert: wenn etwas billiger ist, dann wird es vorgezogen. Alternativen in der Tierwelt zu suchen ist folglich die “Go-To-Response” der Menschheit. Tierleben sind entbehrlich.
Die Konsequenzen dieser Einstellung der Menschheit sind immer die gleichen: Die billigere Lösung gewinnt, weil Geld die Welt regiert. Geiz ist geil.
Was uns wieder zu den billigen Schweineleben bringt. Ihre Empathie, ihre Intelligenz, ihr Lebenswille, ihr Schmerzempfinden – all das ist den Menschen ohnehin kein Geld wert. Moral und Ethik haben für uns kein Preisschild und sind folglich irrelevant. Diese Einstellung hat dem Planeten auch den drastischen Klimawandel beschert. Fossile Brennstoffe, tierische Produkte, unbändiger Energiekonsum – sie alle waren oder sind spottbillig. Alternativen für den Verbrennungsmotor unrentabel. Vor 30 Jahren war die vegane Ernährung noch eine minimale Nische. Heute erkennen Gott sei Dank immer mehr Menschen, dass das Ausnutzen von Tieren nicht nur den Tieren, sondern auch dem Menschen und dem Planeten schadet. Eine Entwicklung, die wir auch auf andere Bereiche der Tier-Ausnutzung ausdehnen müssten.
Stattdessen beschreitet die Wissenschaft hier weiter Irrwege. Und so ist die Erfolgsmeldung zur Schweineherztransplantation Ausdruck einer Denkweise, die von wirtschaftlichen Erwägungen geprägt ist. Nur bei der Frage, welche Spezies man ausnutzen würde, kamen ethische Bedenken ins Spiel. Menschenaffen als direkte Verwandte scheiden aus, weil es zu “gesellschaftlichen Ressentiments” führen würde. Das arme Schwein hingegen darf nun unter Umständen sein Herz und seine Nieren für uns Menschen herhalten. Solange, bis es eine moralische Wende auch in der Wissenschaft und der Gesellschaft gibt.
Als Schweine- und Tierrechtler:innen betrauern wir alle Tiere, die für den Menschen auf die ein oder andere Weise ihr Leben hergeben müssen. Wir trauern auch um das Schwein, das jetzt sein Herz verloren hat. Und die vielen Tausend Schweine vor dieser Transplantation, die auf dem Altar der Wissenschaft geopfert wurden und werden. Und wünschen uns einen Aufbruch in ein Zeitalter, in dem jedes Leben zählt. Auch das der Schweine.
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