Auge in Auge mit den Tiernutzern der LFD und Venneker Viehhandel
Es war bereits Ende Mai, also zwei Monate nach dem unfassbaren Brand, als wir einsehen mussten, dass es für unsere Bemühungen keine Hilfe von Dritten geben wird. Nicht von Frau Künast, nicht von den Behörden und nicht von der Feuerwehr. Wir standen wieder am Anfang.
Also debattierten wir, inwieweit wir nun mit unserem Vorhaben direkt an die Öffentlichkeit gehen sollten und bereiteten eine Pressemitteilung vor. Doch würde sie überhaupt ein Echo außerhalb des Tierschutz- und Tierrechtskreises auslösen? Und wäre dann nicht alle Hoffnung verloren und würde die LFD mauern?
In einer der Videokonferenzen schlug dann unser Mitglied Jutta Kosmala vor, dass sie einen weiteren Versuch starten würde, mit der LFD in Kontakt zu kommen. Als Privatmensch und Leiterin des Schweineseniorenheims, dass sie schon seit Jahren mit viel Liebe und Hingabe in Schleswig-Holstein betreibt. Bei ihr sollten Helga und Gundel unterkommen und unter anderem den ehemaligen Zuchtsauen Hermine und Rosie Gesellschaft leisten können.
Direkt, freundlich und offen wandte Jutta sich telefonisch an die LFD Holding. In einem ersten Telefonat wurde sie dann darüber informiert, dass die Schweine tatsächlich in einem Betrieb in der Nähe von Cottbus untergebracht waren. Doch den eigentlichen Verkauf und Handel mit den Tieren würde für die LFD der Viehhandel Venneker übernehmen, den sie doch bitte kontaktieren sollte.
Nach mehreren Versuchen gelangte sie dort an einen verantwortlichen Prokuristen, der die Idee eines Schweineseniorenheims außerordentlich interessant fand. Im ersten Gespräch schien direkt die Mauer zwischen Tierschützern und Tiernutzern überwunden. Nicht nur wollte sich der Prokurist darum bemühen, alles Notwendige mit der LFD zu klären, sondern auch bei den zuständigen Amtsveterinären Rücksprache nehmen. Der Transport nach Schleswig-Holstein wäre auch kein Problem, denn Venneker würde auch den dortigen Schlachthof in Kellinghusen beliefern.
Für Jutta und uns bedeutete dies einen direkten Einblick hinter die Kulissen der Maschinerie, die Tausenden und Millionen Schweinen Jahr für Jahr das Leben kostete. Von einem Tiertransporter nur zwei Schweinen das Leben zu retten war für uns alle eine der grausamsten Vorstellungen. Quasi „Hand in Hand“ mit Tiermördern zu agieren widerstrebte uns zutiefst, auch wenn die bisher beteiligten Akteure durchaus ein wenig Empathie zeigten und sich aufgeschlossen für unser Vorhaben zeigten.
Wir hofften, dass wir Helga und Gundel zügig retten könnten. Und dass sowohl die LFD als auch die Amtsveterinäre keine Einwände hatten. Zunächst lief es ausgesprochen positiv und wir schöpften weitere Hoffnung.
Eine Woche nach dem ersten Kontakt konnte der Prokurist mitteilen, dass alle Beteiligten grünes Licht gegeben hatten. Jetzt musste nur noch ein geplanter Transport von Cottbus nach Schleswig-Holstein terminiert werden. Jutta sollte sich gedulden, man würde sie kontaktieren.
Und so hielten wir einige Wochen den Atem an und die Füße still. Wir wollten den Menschen, die bisher eher positiv auf die Idee reagierten, nicht unnötig Druck machen. Zudem arbeiteten wir mit Hochdruck an der Öffentlichkeitsarbeit rund um unsere Gedenkstätte für alle Schweine von Alt Tellin, die wir Ende Juli eröffnen wollten.
Um die Rettung von Helga und Gundel nicht zu gefährden, wurde zudem nur ein kleinster Kreis rund um die Geschehnisse informiert.
Der Juli ging vorbei, die Eröffnung unserer Gedenkstätte mit über 57 Kreuzen für die 57.000 Schweine von Alt Tellin war ein großer Erfolg. Doch die Rettung von Helga und Gundel war immer noch unsicher. Wir hätten uns sehr gewünscht, dass wir die Tiere bis zu diesem Zeitpunkt schon in Sicherheit gebracht hätten.
Eine E-Mail an den Kontakt beim Venneker-Viehhandel blieb dann zunächst unbeantwortet. Jutta wurde unruhig, denn sie wünschte sich, dass die Tiere noch vor dem Ende des Sommers bei ihr ankommen würden. Sie bräuchten ein wenig Zeit, sich an die Freilandhaltung zu gewöhnen und mit jedem Tag, an dem nichts geschah, kam der Herbst näher.
Nach dem Ende der Sommerferien konnte Jutta dann den Prokuristen erneut telefonisch erreichen. Er teilte ihr mit, dass noch etwa 900 Schweine von Alt Tellin lebten. Aber inzwischen läge der Betrieb der LFD in einem Beobachtungsgebiet der Afrikanischen Schweinepest, die in Brandenburg seit einiger Zeit grassiert.
Die Afrikanische Schweinepest – ASP – hatten wir bei unseren Rettungsversuchen bislang nicht auf dem Schirm. Auch, wenn wir die Entwicklungen im Osten der Bundesrepublik natürlich aufmerksam und kritisch verfolgten.
Laut Auskunft des Venneker-Viehhandels würden Transporte aus diesem Gebiet nur noch verplombt erfolgen. Und eine Öffnung des Siegels dürfte nur im Schlachthof erfolgen. War dies nun das endgültige Todesurteil für alle Schweine, auch für Helga und Gundel? Sollte es das Schicksal wirklich so übel mit den Schweinen von Alt Tellin meinen? Geboren nur um von einer Hölle in die nächste zu gelangen. Überlebt und dennoch unrettbar verloren.
Jutta und wir waren am Boden zerstört. All ihre Bemühungen und Vorbereitungen, ihre furchtlosen Kontakte mit der LFD und den Tierhändlern von Venneker sowie den Amtsveterinären. All das soll jetzt vergebens gewesen sein? Was könnten wir noch tun?
Dann hatte Jutta eine weitere Idee. Eine Idee, die uns das Blut in den Adern gefrieren ließ. Mehr darüber erfahrt Ihr im sechsten Teil.
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