Nicht erst seit der Flutkatastrophe im Westen der Bundesrepublik ist die Debatte darüber, wie der Klimawandel gestoppt werden kann, ein Hauptthema im politischen Diskurs dieses Landes. Als eine der reichsten Wirtschaftsnationen der Welt haben wir nicht erst in diesem Sommer gemerkt, dass die globale Erwärmung schwerwiegende Auswirkungen auch für uns in Mitteleuropa hat.
Aber während wir überall hören und lesen, dass unser Energieverbrauch, die Mobilität mit Auto und Flugzeug, das Heizen der Häuser und die Industrie dringend klimaschonend oder klimaneutral ausgerichtet werden müssen, bleibt das Thema Tiernutzung fast immer ein Randthema in der Debatte. Und um die Rechte der Tiere geht es dabei niemals.
Aber natürlich geht es uns als Tierrechtler:innen primär darum, die Verbrechen gegen die Tiere in den Vordergrund unserer Arbeit zu stellen. Aus gutem Grund, denn der Kampf ist heute wichtiger und dringender als je zuvor. Denn die Welt steht ohnehin gefühlt am Abgrund. Für die Rettung der Tiere, aber auch des Planeten bleibt wenig Zeit.
Doch wenn wir in unseren Argumentationen die schädlichen Auswirkungen des Fleischkonsums für das Klima in den Mittelpunkt rücken, verwässern wir indirekt unseren Kampf für die Rechte der Tiere. Denn durch die Komplexität der Klimathematik ist am Ende das Leiden der Tiere und das moralische Unrecht nur ein kleines Randthema. Und es lädt die Gegner eines gesellschaftlichen und moralischen Wandels für die Tiere zu abstrusen Gegenargumentationen ein.
Man kann dies in den vergangenen Monaten auch in der deutschen Presse verfolgen. Zunächst war es die TAZ, die australische Forscher zitierte, die die angebliche Klimaschädlichkeit der Wildschweine untersucht haben. Die Presse griff diese „Studie“ sodann als Thema von der populistischen Seite auf und die Wildschweine wurden zur „Klimasau“. Wäre also der Planet besser dran, wenn es keine Wildschweine mehr gäbe und könnten wir dann weiter alle mit dem SUV die Brötchen holen fahren? Wenn es nicht so ernst gemeint wäre, könnte man darüber nur lachen. Aber diese Studie gibt es tatsächlich.
Letzte Woche kamen dann deutsche „Wissenschaftler“ mit einer Studie daher, die nun Hunde als absolute „Klimakiller“ einstuften. Auch hier wurde der Ball schnell von der Presse und danach insbesondere von den Agrarlobbyisten von agrarheute.de und topagrar.de aufgenommen.
Von den eigenen Problemen mit Nebenkriegsschauplätzen abzulenken ist eine oft erfolgreiche Taktik. Also warum die Massentierhaltung in Bausch und Bogen ablehnen, wenn die Wildschweine und Hunde doch auch Klimakiller sind? Mit unserer Landwirtschaft und Art des Lebens und Essens ist alles in Ordnung. Hier gibt es nichts zu sehen, Dein eigener Hund ist viel schlimmer. Und die wilden Schweine gehören als angebliche Hauptverbreiter der Afrikanischen Schweinepest ohnehin ausgerottet. Klimasäue sind sie ja obendrein.
Fakt ist, dass das Thema Klimawandel mit all seinen Facetten zu komplex ist, als dass es die normalen Menschen in seiner Gesamtheit begreifen könnten. Auch heute noch gibt es Menschen, die den Klimawandel sogar komplett leugnen. Und „Wissenschaftler“ wie die australischen oder deutschen, die mit ihrer Arbeit letztlich vom eigentlichen Verursacher – dem Menschen – ablenken, machen die Argumentation für die Rechte der Tiere im Zusammenhang mit dem Klima noch undankbarer.
Doch als Tierrechtler findet man noch mehr Fallstricke, wenn man die Klimaschädlichkeit des Fleischkonsums in den Fokus der eigenen Argumentation rückt. Es gibt genügend Online-Rechner, die Deinen persönlichen CO2-Fußabdruck berechnen. Dabei fließt natürlich auch die Ernährung ein. Jedoch nicht als Hauptpunkt, sondern gewichtet.
Aber wie argumentiert man dann mit einem Menschen, der sich weitestgehend klimafreundlich agiert und am Ende nur durch seinen exzessiven Fleischkonsum „ein wenig böse“ ist. Während man selber in einem alten Haus mit Ölheizung wohnt und mit dem Diesel zur nächsten Tierrechtsdemo fährt? Und der eigene CO2-Fußabdruck größer ist, als des Tierquälers und Fleischessers?
Als Tierrechtler:innen kennen wir doch ohnehin die Debatten, die damit anfangen, dass „…man sich doch lieber um Kinder kümmern sollte“. Solcher oder ähnlicher „Whataboutism“ zielt nur darauf ab, vermeintliche viel schlimmere Themen in den Vordergrund einer Scheindebatte zu rücken. Oder am Ende die Rechtschaffenheit und Moralität der Tierrechtler:innen infrage zu stellen, weil sie am Thema „X“ doch auf die ein oder andere Weise mitschuldig sind. Und der Klimawandel bietet aufgrund seiner Komplexität viele solcher Ansatzpunkte. Genügend Munition für Menschen Marke Uli Hoeneß, die als Lautsprecher für den rechtschaffenen, deutschen Fleischkonsumenten ins Feld ziehen.
Für uns sind die klimatischen Auswirkungen des Fleischkonsums daher zwar durchaus erwähnenswert in einer vom moralischen und ethischen Konzept getragenen Debatte für die Rechte der Tiere. Aber im Zentrum ist und bleibt für uns das Recht der Tiere. Selbst wenn in 10 Jahren die Landwirtschaftslobby Schweine oder andere „Nutztiere“ gezüchtet oder geklont haben sollte, die weitestgehend „klimaneutral“ daherkommen, ist und bleibt es für uns ein Unrecht, massenhaft Tiere zu erzeugen, einzusperren, zu quälen und zu töten.
Auf der vor 6 Monaten abgebrannten, größten Ferkelzucht Europas in Alt Tellin war eine schöne Solaranlage angebracht. Für das Klima. Und auch Fleischfabrikant Tönnies gab vor kurzem bekannt, dass in seiner LKW-Flotte demnächst E-LKWs von Daimler fahren werden. Wie schön? Für das Klima? Die Tiere aber werden weiterhin gefoltert und ermordet oder verbrennen oder werden in den Müll geworfen.
Wie lange noch?
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