Endlich ist es trocken. Seit dem Wochenende kann ich endlich ohne dicke Gummistiefel auf unsere Schweineweide gehen. Der ostfriesische Sommer hat sich bisher so angefühlt wie der Herbst und der Winter und der Frühling: nass und ungemütlich. Und wenn es dann mal ein paar Tage trocken war, brauchte es nur einen Regentag um alles wieder wunderbar unter Wasser zu setzen – so gesättigt waren die Böden hier.

Was uns direkt und ohne Umschweife zu der Krux in der Schweinehaltung bringt. Schweine wühlen – die meisten jedenfalls, wobei es natürlich Ausnahmen gibt. Unsere Schweine sind scheinbar ganz spezielle Bulldozer und sie hatten keine Mühe, die knapp 5000 m² Grünfläche innerhalb weniger Wochen in einen Acker zu verwandeln.

Warum? Weil unter der Grasnarbe eben doch viel schönere Leckereien zu finden waren als nur schnödes Gras. Schweine sind keine klassischen Weidetiere – sie sind Tiere des Waldes und dort hinterlassen sie ihre wertvollen Spuren, indem sie ihren wundervollen Rüssel mit der feinen Nase benutzen, um den Boden umzugraben.

In der privaten Schweinehaltung bedeutet das: von einer grünen Wiese kann man sich schnell verabschieden. Und je mehr Schweine auf kleinem Gelände ein Zuhause finden, desto eher hat man das ganze Jahr entweder eine braune Fläche oder Schlamm in der lustigen Form von „Schokopudding“.

Wir haben gerade diese Zeit hinter uns. Für wie lange steht in den Sternen. Der Herbst ist nicht mehr weit und erst jetzt fühlen wir uns im Sommer angekommen. Eine Zeit, wo nicht nur die Schweine im weichen Boden einsinken.

Das Wühlen haben unsere Schweine deutlich eingeschränkt, der Boden ist ja schon all seiner tiefen Leckerchen beraubt worden. Und jetzt, wo es dann auch mal trocken bleibt, entwickelt sich ein grüner Flaum und Teppich in unserem Schweinegehege. Ein Zeichen dafür, dass eine Überbelegung bei 3 Schweinen auf 5.000 m², gerade so nicht vorliegt. Der Boden erholt sich und die tägliche Weidepflege (das Absammeln der Hinterlassenschaften) hilft ebenso.

Trotzdem hätten wir gerne mehr Platz. Nochmal so viel – um eine echte Wechselweide einzurichten und den Tieren nicht zu viel Platz zu rauben. Platz zum Erkunden, zum Genießen und zum Dasein, einfach da sein.

Man kann sich das alles aber auch schön rechnen. Dann hat jedes unserer Schweine eben 4.997 m² Platz zur Verfügung, weil die zwei anderen Tiere nur den Platz „rauben“, auf dem sie gerade stehen. So wie man sich die Massentierhaltung auch schönreden kann. Dann hat so ein Mastschwein 15 m² in der Bucht als Raum. Hat halt nur Pech, das 14 m² davon von Artgenossen belegt werden. Aber: 15 m² ist doch was, oder? Manches Kinderzimmer ist kleiner …

Und so kommt es dann, dass man von unwissenden Menschen immer wieder darauf angesprochen wird, warum wir nicht noch mehr Schweine haben. Platz ist doch genug da, oder? Neulich erst ein Anruf von einem Journalisten aus Berlin, der ungeniert sein Unverständnis äußerte, als ich ihm erklärte, dass die Qualität des Lebens ebenfalls zählt, nicht nur das nackte Überleben. Direkt kam die Erwiderung, was denn mit den armen Schweinen in den Kastenständen wäre – könnten wir nicht noch ein paar mehr retten? Die hätten es doch auch verdient.

Schlechtes Gewissen einreden, dass können solche Menschen. Keine Ahnung davon, was ein Schwein braucht, wie viel Platz wie viel Zeit und Fürsorge. Keine Ahnung davon, was der Boden braucht, auf dem das Schwein sein ganzes Leben verbringen wird. „Platz ist in der kleinsten Hütte“ mag für Menschen gelten, wenn sie es sich in ihrer 50 m² Wohnung in Berlin-Mitte gemütlich machen. 5000 m² klingen dann wie ein Palast.

Aber wir Menschen, wir leben nicht nur in der Wohnung. Unsere Toilette hat eine Wasserspülung und wir leben nicht in ihr. Je weniger Platz Schweine zur Verfügung haben, je mehr Platz sie sich mit Artgenossen teilen müssen, desto schneller ist der Boden kaputt. Die Qualität des Lebensraums muss immer mit in die Gleichung einbezogen werden.

Klar könnten wir noch 3 weitere Schweine auf unser Land quetschen. Hat in Heinsberg ja auch funktioniert. Da hatten unsere Schweine mit Ach und Krach 700 m² pro Nase. Jetzt ist es mehr als doppelt so viel und langsam aber sicher sieht man auch, dass es etwas bringt. Während in Heinsberg an Wachstum von essbarem Grün nicht zu denken war, gibt es jetzt bei uns diesen grünen, dünnen Teppich. An dem die Schweine auch immer zupfen. Dankbar Zupfen – denn es ist auch Beschäftigung.

Wenn wir jetzt noch dichteren Baumbewuchs hier in Neuschoo hätten, dann wäre es natürlich noch besser. Denn das war der Vorteil vom Heinsberger Gehege: über 20 Jahre lang konnten sich da ungestört die ganzen Bäume ausbreiten. Ein kleiner Wald als Trost dafür, dass es ansonsten halt doch zu klein war.

Und so bereuen wir unseren Umzug nach Ostfriesland nicht im Geringsten. Auch nicht, dass wir nicht noch weitere Schweine hier aufnehmen, selbst wenn es uns für jedes Schwein das Herz bricht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Den Tod der Tiere, den man uns indirekt ganz gerne in die Schuhe schieben möchte, wenn wir „Nein“ sagen – den haben wir nicht auf dem Gewissen. Sondern eine Gesellschaft, die die Rechte der Tiere mit Füßen tritt.

Mit ein Grund für uns, es richtigzumachen. Egal was andere sagen und denken.

Ein grüner Flaum...
Gandhi zupft Gras.
Freya zupft Gras.
Sommer in Ostfriesland?