Heute vor genau 4 Jahren war es so weit: drei Schweine sollten gerettet werden und bei uns ein neues und sicheres Zuhause finden. Monate der Vorbereitung waren vergangen und die Suche nach 3 Schweinen führte uns schließlich zu einem Bauern in Xanten am Niederrhein.

Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob ich es ein weiteres Mal ertragen könnte, einen dieser Orte der Ausbeutung, der Qual und empathielosen Rücksichtslosigkeit aufzusuchen. Ein Ort, den die Menschen Schweinezucht nennen. Eine Zucht der Haltungsstufe 3 – also ein ganz winziges Stück besser als die Höllen der skrupellosesten Massentierhaltungen. Aber eine Hölle dennoch. Durch und durch.
Man rettet drei Leben, drei unschuldige Kinder vor diesem System der menschlichen Überheblichkeit, Arroganz und Brutalität. Dies ist die beruhigende Lüge, die man sich selber immer wieder vorbetet. Leben retten – auch wenn es nur drei sind. Doch, wenn ich ehrlich bin, sind drei Leben niemals genug. Es hätten 1003 sein müssen. Oder wie viele Schweine auch immer wir an diesem Tag zurückließen. Die Zuchtsauen, zwar teilweise auf Stroh gehalten. Ihre entrissenen Ferkel in den Mastboxen und natürlich die Zuchtsauen, die bereits wieder in den Kastenständen – den eisernen Jungfrauen der Schweinehaltung – gefesselt waren. Und der einsame Zuchteber in seiner kleinen Box. Der Vater vieler Schweinekinder, der niemals ihre Nähe oder Liebe spüren dürfte. Alles im Name der menschlichen Fleischeslust.

Wir blieben nur eine kurze Weile auf dem Hof, der Anblick der vielen wunderbaren Seelen, er fing schnell an, mich zu erdrücken. Und nachdem der Bauer uns dann die drei kleinen Schweinekinder in die Transportbox unseres Autos getragen hatte, war es Zeit für das Lösegeld. 100 Euro für Gandhi. 100 Euro für Loki – das Leben von kleinen Ebern ist nahezu wertlos. Und 250 Euro für eine Sau, um ihr das lange Leid im Kastenstand und das Rauben der Kinder zu ersparen.

Wir haben absichtlich und bewusst Geld gezahlt. Und bereuen keinen einzigen Cent. Es waren für mich die besten 450 Euro meines Lebens, auch wenn ich danach erfahren durfte, wie widerwärtig einige Subjekte sind, die sich tatsächlich Tierschützerinnen nennen. Und ich erfahren konnte, dass man in dieser Welt der Egomanen und aufgeblasenen Wichtigtuer auch “falsche Schweine” retten kann.

Aber Freya, Loki und Gandhi waren nicht die einzigen drei Leben, die an diesem Tag gerettet wurden. Mein eigenes Leben gehörte dazu. Und auch das meiner geliebten Frau Sabine. Viele, viele Jahre war ich in einem dunklen Loch gefangen. Das leibhaftige Erleben und Erdulden einer Schweinebefreiung aus einer Hölle der Massentierhaltung in den 90er Jahren hatte mich noch Jahrzehnte danach im Würgegriff – unterbewusst verlor ich mich in der Dunkelheit des Erlebten. Erst nach einer 2-jährigen Therapie war es mir möglich, loszulassen. Das Schuldgefühl, welches sich nach und nach in mir ausgebreitet hat und meine Liebe zu Schweinen fast komplett erstickt hat.

Und so ging ich in der Therapie tief herab, bis ich in einem dunklen Raum die Schweine wiederfand, die ich dort lange, lange Jahre weggesperrt hatte.

Das Freikaufen von Freya, Loki und Gandhi – geächtet durch so manchen in der Tierschutz- und Tierrechtsszene, es war also auch das Begleichen einer inneren Schuld. Meiner Schuld. Und mit dem Freikaufen kam das Versprechen, es diesmal besser zu machen. Den Menschen mittels dieser wunderbaren Seelen, die 24 Stunden zuvor noch namenlos waren, zu zeigen, wie liebenswert Schweine sind. Wie wundervoll und einzigartig. Egal, woher sie stammen. Ob vom Transporter geflohen, von einem Bauern geschenkt oder auch aus einer Hölle gestohlen. Jedes Leben zählt. Auch das von Freya, Loki und Gandhi.

Und so begleiten sie mich heute immer noch. Sind weiter an meiner Seite, erfreuen mich mit ihrer Liebe, Freundschaft und Kameradschaft wie fast niemand sonst.

Menschen sind in diesen Jahren gekommen und gegangen. Es ist nach wie vor so wie in den Jahren und Jahrzehnten im Tierschutz zuvor – die einzige Konstante im Tierschutz und Tierrecht ist, dass sich die Menschen dabei verzetteln, zanken und die Tiere aus den Augen verlieren. Auch ich bilde dabei keine Ausnahme und bin nicht unschuldig. Ganz im Gegenteil.

Auch die Schweine zanken sich ab und zu. Freya, Gandhi und Loki haben ihre schlechten Augenblicke. Aber sie sind am Ende deutlich sozialer und reifer als die Menschen. Denn sie vertragen sich wieder und schlafen am Ende des Tages gemeinsam nebeneinander im Stroh. Ohne vorher auf Instagram, Youtube oder Facebook einen Shitstorm anzufachen.

Schweine, sie sind einfach die besseren Menschen. Und “meine” Schweine sowieso. Was wäre ich nur ohne sie. Verloren.

Liebe Freya, Lieber Gandhi, Lieber Loki – Danke, dass es Euch gibt.

Danke, dass ihr mich gerettet habt.

Euer Schweinepapa.